Ein paar Worte von Bernd Lukas

Den einen oder anderen meiner Leser intereressieren vielleicht Details aus der Geschichte der im Roman NEBENWEIT vorgestellten Europawelt, die über die Fragmente hinausgehen, die man der Erzählung selbst entnehmen konnte. Da ich selbst stets großes Interesse für die Geschichte, also »das, was geschehen ist«, empfunden habe, will ich versuchen, eine solche Wissbegierde wenigstens in kleinem und ganz und gar unwissenschaftlichem Rahmen zu befriedigen.

Vorab aber will ich ergänzend zu dem, was Obertix/Dupont und mein Freund Gustav Thadewald  schon gesagt haben, zu erklären versuchen, was es mit Parallelwelten, ›Anderwelten‹ also, wie die Gäler sie nennen, auf sich hat:

In dem Multiversum, in dem die Europawelt, die Amerikawelt, die Germaniawelt, Roma Aeterna und Gaelia ebenso existieren wie Abermilliarden andere Welten, gibt es eine unendliche Zahl – das ist wörtlich zu nehmen – paralleler Welten, da jede Entscheidung, die die Natur, der Mensch oder sonst jemand trifft, einen neuen Faden in dem »Tau«, will ich einmal sagen, bildet, das den Lauf der Geschichte, der Evolution oder meinetwegen sogar der Entropie darstellt. Jedes Mal wenn Sie sich entscheiden, Milch in Ihren Kaffee zu gießen, entsteht ein solcher Faden und gleichzeitig ein anderer, in dem Sie sich dafür entschieden haben, ihren Kaffee »schwarz« zu trinken. Und das Gleiche gilt für die ebenso wichtige Entscheidung, ihn mit Zucker zu süßen oder dies bleiben zu lassen. Oder vielleicht auch mit Süßstoff …

All diese Fasern finden bald wieder in den »Mainstream«, also das gemeinsame »Tau«, zurück, da diese Entscheidung am Kaffeetisch ja für den weiteren Lauf der Welt doch recht belanglos sind.

Und dann gibt es wichtige, ja weltbewegende Entscheidungen. Aus anthropozentrischer Sicht ist das etwa die Entscheidung eines Religionsgründers wie Jesus von Nazareth (wenn wir hier einmal von seinen Vorgängern oder den Gründern anderer Religionen der Einfachheit halber absehen wollen), auf dessen Wirken unser christlich/jüdisches Abendland basiert. Oder die Entscheidung von Julius Cäsar, den Rubikon zu überschreiten und damit den Grundstein zu seiner Diktatur und der Kaiserherrschhaft seiner Epigonen zu legen.

Ähnlich wichtig sind die für das Geschehen in diesem Buch wichtigen Entscheidungsknoten, die die politisch/militärischen Entscheidungen in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts darstellen:

In der Amerikawelt waren dies in besonderem Maße der Ausgang der amerikanischen Bürgerkrieges und die Gründung des Deutschen Reiches und die daraus für das weitere Geschehen entstandenen Folgen. Sie haben die damals von den europäischen Großmächten beherrschte Welt in vielen Bereichen so geprägt, wie ich sie bis zu meinem unbeabsichtigten »Rutsch« in die Europawelt kannte. Hinzu kam im asiatischen Raum die Ablösung der Tokugawa-Dynastie durch die Wiedererrichtung des Kaiserreiches Japan unter Kaiser Mutsuhito, genannt Meiji-Tenno, welches das durch den Verfall des chinesischen Kaiserreichs entstehende Machtvakuum zu nutzen wusste.

In der Europawelt, also meinem neuen Zuhause, sind die Dinge anders gelaufen:

Die Amerikaner haben ihren Bürgerkrieg nicht bis zur völligen Niederlage der Südstaaten geführt, sondern einen Verhandlungsfrieden geschlossen, nach dem auf dem nordamerikanischen Kontinent zunächst zwei souveräne Staaten entstanden sind.

Das siegreiche Preußen hat sich nach der Niederlage Österreichs im deutschen Bruderkrieg 1866 für die Großdeutsche Lösung, also einen Bundesstaat aus den deutschen und österreichischen Staaten, entschieden und der so entstandene Deutsche Bund hat sich mit dem Britischen Empire auf eine Teilung der Einflusssphären geeinigt. Also: Britannia Rules the Waves, Deutschland dominiert – auf friedliche Weise – den europäischen Kontinent.

Die beiden nordamerikanischen Staaten haben ihre Kraft mehr nach innen gerichtet, auf eine Expansion in den pazifischen Raum (Philippinen, Hawaii) verzichtet und insgesamt notgedrungen eine weniger imperialistische Haltung eingenommen als in unserer Welt, was es wiederum Japan ermöglicht hat, ungehindert seine Expansion in Richtung China und den pazifischen Raum zu betreiben, um so den Mangel an eigenen Rohstoffen zu kompensieren.

Aus dieser Konstellation hat sich eine etwas friedlichere Weltordnung entwickelt, eine, in der der Völkerbund als eine Art frühe UNO unter der Führung miteinander nicht (so intensiv) konkurrierender Großmächte das Kolonialzeitalter früher und weniger blutig beenden konnte. Die Theorie, wonach technischer Fortschritt ausschließlich eine Konsequenz von Kriegen ist, ist nicht bewiesen. In meiner neuen Heimatwelt jedenfalls hat sich auch unter friedlicheren Begleitumständen ein, wie ich finde, etwas menschlicheres, jedenfalls friedlicheres Nebeneinander der Menschen im Rahmen einer technisch sogar etwas höher entwickelten Zivilisation bei gerechterer Verteilung der Ressourcen ergeben.

Ein Paradies ist sie natürlich dennoch nicht, denn auch in ihr leben Menschen mit all ihren Mängeln und Fehlern, und auch sie kommt  natürlich nicht ganz ohne Konflikte aus, wie man das ja den vorangegangenen Kapiteln entnehmen konnte.

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