Geschichtlicher Hintergrund

Bei der Vorbereitung des Romans habe ich mir den geschichtlichen Hintergrund etwas ausführlicher ausgedacht und möchte ihn dem interessierten Leser nicht vorenthalten:

GAELIA

Weltuntergang

Um das Jahr 1000 ging in einer anderen Zeitlinie die Welt wirklich unter. Ein Meteor traf in den Pazifik und die gewaltige Flutwelle und die zahlreichen Meteoriten, die sich beim Eindringen in die Atmosphäre ablösten und Feuerstürme auslösten, führten zur Vernichtung fast der ganzen Menschheit. Der darauf folgende jahrelange »Winter« tat das Seine dazu, sodass nur in einigen entlegenen Bergregionen einige wenige Menschen überlebten und im Laufe der folgenden Jahrhunderte die bis dahin errungenen zivilisatorischen Erkenntnisse fast völlig verloren, also praktisch auf Steinzeitniveau zurückgeworfen wurden.

Die Überlebenden

Eine überlebende Gruppe im schottischen Hochland gehörte zu den Überlebenden und arbeitete sich im Laufe von fünfhundert Jahren wieder auf das Niveau der Bronzezeit hoch, verließ dann aber seine unwirtliche Heimat und siedelte sich im Seinetal an. Die Stammesgeschicke wurden von so genannten Druiden geleitet, schriftliche Überlieferungen gab es nicht, die Geschichte des Stammes wurde in mündlicher Überlieferung von Generation zu Generation weitergegeben. Im Sinne einer Zeitrechnung begann der »Kult der Stäbe« – Holzstäbe, in die jedes Jahr Kerben eingeschnitten wurden, und die bei der Rezitation der »Geschichte« als Hilfsmittel dienten. Jedes Jahrhundert wurde ein neuer Stab begonnen, die „Bewahrer der Stäbe“ entwickelten sich zu einer religiösen Kaste mit hohem Ansehen und großer informeller Macht.

Unter den Stammesangehörigen entwickelte sich bei einigen wenigen telepathische Begabung, und gegen Ende des 18. Jahrhunderts (unserer Zeitrechnung) nahm ein psibegabtes Mädchen zunächst in Träumen, dann sogar körperlich Kontakt mit einer Parallelwelt (der unseren) auf. Bald stellte sich heraus, dass sie nicht die Einzige war, die dieses Talent besaß, und die Druiden begannen in »selektiver Züchtung«, das Talent zur »Dimensionsversetzung«, dem »Rutsch«, zu hegen, nicht zuletzt weil sei erkannt hatten, dass die Anderweltler fortgeschritten waren und man dort vielleicht nützliche Erkenntnisse, möglicherweise auch nützliche körperliche Gegenstände holen konnte. Dass mit dem Talent zum Dimensionssprung auch gewisse präkognitive und telepathische Fähigkeiten gekoppelt waren, kommt diesem Vorhaben zustatten.

Insbesondere die Übernahme medizinischer Verfahren aus der Anderwelt – zu der bald eine zweite kam, als sich die »Europawelt« von der »Amerikawelt« abspaltete und sich als friedlicher und somit für weitere Kontakte vielversprechender erwies – führte zu einer merklichen Steigerung des Lebensstandards insbesondere durch Verringerung der Säuglingssterblichkeit und allgemein verbesserter medizinischer Versorgung.

Die Erforschung der Nachbarwelten führte die Gäler zu dem Entschluss, dies systematisch zu tun. Die erforderlichen Mittel verschafften sie sich durch Nutzung präkognitiver Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichten, aus zunächst meist Rennwetten, später, nach Verfeinerung der Mittel und dem Erwerb einiger Erfahrung, durch Börsenspekulation und wirtschaftliche Aktivitäten, etwa dem Betrieb von Krankenhäusern, die zugleich als Stützpunkte genutzt wurden.

Konflikt

Je intensiver sich die Gäler mit den umliegenden ihnen zugänglichen Welten befassten, umso mehr entwickelten sich zwei miteinander im Konflikt liegende Parteien – Clubs –, von denen eine darauf drängte, den Kontakt mit den Anderwelten aufzugeben und sich ganz der eigenen Entwicklung in einer naturbezogenen Welt zu widmen, während die Gegenpartei sich intensiv mit den Nachbarwelten beschäftigen, daraus Nutzen ziehen und auch versuchen wollte, Einfluss auf sie zu gewinnen.

1920 entscheidet sich der Stamm der Gäler mehrheitlich dafür, die Verbindung zu den Anderwelten aufrechtzuerhalten, ja sogar auszubauen. Die Gruppe um Untax unterliegt, trägt aber die Entscheidung mit. Dennoch kommt es in den darauf folgenden Jahren immer wieder zu Manifestationen von Neid, auch zu Zwistigkeiten zwischen den Vertretern einer Öffnung zu den Anderwelten und den Traditionalisten, kurz »Tradis« genannt.

Schließlich findet sich ein charismatischer Führer der konservativen Bewegung, der langfristig plant und – den eigenen Prinzipien zum Trotz – in der Anderwelt Germania eine Zelle aufbaut. Er hält das für notwendig, um Waffengleichheit herzustellen, insbesondere auch wegen der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmethoden.

Einig sind sich beide Parteien darin, dass die eigenen Existenz gegenüber den Bewohnern der Anderwelten geheim gehalten werden muss. Abweichler, also Stammesangehörige, die mit Bewohnern der Anderwelten »fraternisieren«, werden bestraft, was dazu führt, dass solche Abweichler regelmäßig »in den Untergrund« gehen.

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien strebt zum Zeitpunkt meiner Erlebnisse einem Höhepunkt, möglicherweise einer Entscheidung zu.

Andere Welten

Den Gälern sind offiziell folgende Welten bekannt (wie weit einzelne Individuen auch in andere Parallelwelten gelangt und dort möglicherweise geblieben oder auch umgekommen sind, ist nicht bekannt):

Unsere Welt – von den Gälern als Amerikawelt bezeichnet, vermutlich wegen der Dominanz, die die USA zumindest im zwanzigsten Jahrhundert weltweit ausgeübt haben.

Roma Aeterna – Rom hat Europa bis zur Nordsee und jenseits der Elbe kolonisiert, die kath. Kirche als Staatskirche hat sich selbst reformiert, keine Reformation Luthers.

Die Europawelt, mit der sich dies Zeilen ja ausführlich befassen und  die auf den folgenden Seiten näher beleuchtet wird.

GESCHICHTE DER EUROPAWELT SEIT   1860

Im US Bürgerkrieg brechen die USA auseinander

Nach dem gescheiterten Versuch der Unionstruppen, im Mai 1863 die Stadt Vicksburg zu erobern, einer Schlacht, in der beide Seiten blutige Verluste erlitten hatten, kam es zu einer Meuterei unter den Truppen der Union, die sich weigerten, weiter gegen ihre »Brothers in Butternut Uniform« zu kämpfen. Diese Meuterei erfasste ein ganzes Bataillon, worauf dessen Kommandeur, um ein Exempel zu statuieren, eine ganze Kompanie wegen Befehlsverweigerung standrechtlich erschießen ließ.

Diese Maßnahme löste im ganzen Land, auf beiden Seiten der Fronten, so große Empörung aus, dass sich in der Folge ganze Heeresgruppen mit den Meuterern solidarisch erklärten und die Feindseligkeiten einstellten. Der Bataillonskommandeur, Oberst Andrew Turner, erwarb sich mit seiner Tat traurigen Ruhm und ging als der »Henker von Vicksburg« in die Geschichte ein. Ein Militärgericht musste ihn angesichts der Gesetzeslage zwar freisprechen, er beging aber zwei Jahre nach seiner Tat Selbstmord.

In der Folge kam es zu einem Treffen der beiden Präsidenten, Abraham Lincoln und Jefferson Davis, im Beisein von deren führenden Generälen, die sich schließlich auf einen Waffenstillstand verständigten. Zu den Friedensverhandlungen auf neutralem Grund, den britischen Bermudas, luden die beiden kriegführenden Parteien – ein absolutes Novum in der Kriegsgeschichte – als »unparteiischen Schlichter« den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck ein, der sich in den vorangegangenen Jahren durch seine kluge Bündnispolitik in Europa einen Namen gemacht hatte.

Nach einer Woche intensiver Verhandlungen entstand ein Waffenstillstandsabkommen, das beide Parteien zur sofortigen Einstellung aller Feindseligkeiten, Rückzug der Truppen auf die Vorkriegsgrenzen, Anerkennung der Demarkationslinie und Wiederherstellung des Status quo verpflichtete; wenn man so will, also ein Sieg der Südstaaten, die ja ihre Kriegsziele damit durchsetzen konnten, sich allerdings verpflichten mussten, binnen zehn Jahren alle Sklaven, die dies wünschten, freizulassen und keine neuen Sklaven mehr zu kaufen.

Trotz aller Skepsis, mit der dieses Verhandlungsergebnis weltweit betrachtet wurde, war damit der Krieg, dessen Parteien von den europäischen Großmächten in nicht unbeträchtlichem Maße unterstützt worden waren, beendet. Großbritannien hatte die Südstaaten unterstützt, um die wachsende Wirtschaftsmacht des Nordens zu zügeln, Deutschland und Frankreich hatten sich in damals in seltener Einmütigkeit auf die Seite der Union geschlagen, um ein Gegengewicht gegen das weltweit übermächtige britische Empire zu fördern.

Das Prestige Bismarcks und damit Preußens wuchs nach diesem Verhandlungserfolg gewaltig.

Preussen und das Habsburgerreich erneuern den Deutschen Bund

Im Juli 1866 errangen die preußischen Truppen bei Königgrätz einen vernichtenden Sieg über die österreichischen Truppen und festigten damit die Führungsrolle Preußens unter den deutschen Staaten. Damit wäre der von Preußen angestrebten »kleindeutschen« Lösung nichts mehr im Wege gestanden – umso verblüffender war daher, dass Preußen in den Friedensverhandlungen  Österreich ein »Codominium« im Deutschen Bund anbot und dabei lediglich die Bedingung stellte, dass der Preußische König Wilhelm II. als künftiger deutscher Kaiser und Präsident des Deutschen Bundes die (auch protokollarische) Priorität genießen sollte.

Nach Ansicht gut informierter Beobachter ist diese eindeutige Abkehr von seiner bisherigen Politik, die ja eine Trennung der beiden Reiche zum Ziel hatte, in hohem Maße Erkenntnissen aus seiner Vermittlerrolle in den Friedensgesprächen zwischen den Nord – und Südstaaten der ehemaligen USA geschuldet. Es heißt, Bismarck sei wohl bewusst gewesen, dass die Teilung der Vereinigten Staaten zumindest mittelfristig das Entstehen einer neuen Weltmacht auf dem amerikanischen Kontinent verhindern würde, was er  im Sinne der künftigen  deutschen Rolle in der Weltpolitik durchaus billigend in Kauf nahm.

Der österreichische Kaiser, Franz Joseph I., leistete gegen diese Lösung zunächst ebenso erbitterten Widerstand wie der preußische König (und künftige deutsche Kaiser). Franz Josef I. musste sich jedoch dem Druck der Straße beugen, da das Volk in Wien mit Aufstand drohte, während Wilhelm II. sich schließlich dem Drängen seines Sohnes, des Kronprinzen und künftigen Kaisers Friedrich III., beugte, der im Krieg ein siegreiches Armeekorps geführt hatte und sich in dieser Krise erstmals auch als ernst zu nehmender politischer Faktor erwiesen hatte.

Der klugen Politik Bismarcks gelang es in den darauf folgenden Jahren, sowohl die größeren Staaten des neu belebten Staatenbundes, also Bayern, Württemberg, Sachsen ebenso wie Provinzen des habsburgischen Vielvölkerstaates, zu einen und die vielen Kleinstaaten des Reiches zur Aufgabe gewisser Souveränitätsrechte zu bewegen. Andere Staaten des Habsburger Reiches erlangten eingeschränkte Souveränitätsrechte und die Zusage, bei einer in zehn Jahren geplanten paneuropäischen Konferenz  Deutschlands Unterstützung bei der Verwirklichung der Eigenstaatlichkeit zu erhalten.

Dass das Erstarken Deutschlands Misstrauen unter den andern europäischen Großmächten aufkommen ließ, also Frankreich, Russland und dem Britischen Empire, liegt nahe. Die Entscheidung für zwei Regierungssitze in Berlin und Wien und eine mit Augenmaß betriebene föderalistische Politik, also der Verzicht auf zentralistische Bestrebungen, sorgte dafür, dass dieses Misstrauen in Grenzen blieb.

Dennoch kam es drei Jahre nach der Neugründung des Bundes, im Jahre 1870, zu Unruhen im französischen Elsaß-Lothringen, wo deutschsprachige Separatisten eine Loslösung von Frankreich und den Beitritt zum Deutschen Bund anstrebten. Paris entsandte Militär, um den Aufstand zu unterdrücken, worauf der Deutsche Bund Frankreich den Krieg erklärte, in einer Blitzaktion bis Sedan vorrückte und dort den hastig zusammengezogenen französischen Truppen eine vernichtende Niederlage bereitete. Kaiser Napoleon III. blieb keine andere Wahl als die Kapitulation, was freilich dazu führte, dass die Opposition in Paris ihn für abgesetzt erklärte und die Republik ausrief. Die neue Regierung unter Emile Olivier kündigte den Waffenstillstand auf, musste jedoch wenig später ebenfalls kapitulieren, weil die deutschen Verbände erneut blitzartig vorgerückt waren und einen Belagerungsring um Paris errichtet hatten.

In den sich anschließenden Verhandlungen verblüffte Bismarck die Welt erneut, indem er Frankreich überaus faire Bedingungen anbot, auf Kriegsentschädigungen jeglicher Art verzichtete und lediglich auf einen gegenseitigen, auf zwanzig Jahre befristeten Nichtangriffspakt drängte.

Kaiser Wilhelm II. bei Attentat getötet

1878 wurde auf den deutschen Kaiser Wilhelm II. ein Attentat verübt, bei dem er den Tod fand. Sein liberalen Grundsätzen zuneigender Sohn trat als Kaiser Friedrich III. seine Nachfolge an. Er genoss den Respekt Bismarcks, der sich ihm in stärkerem Maße unterordnet, als dies gegenüber dem schwachen Wilhelm II. der Fall gewesen wäre. Im gelegentlich kontroversen Zusammenwirken der beiden Führungspersönlichkeiten wird allmählich die deutsche Verfassung liberalisiert und werden wesentliche soziale Probleme gelöst, sodass man jetzt die Staatsform mit Fug und Recht als konstitutionelle Monarchie bezeichnen kann.

Friedrich, der stets ein besonders gutes Verhältnis zu seiner Mutter, Queen Victoria und dem britischen Königshaus unterhielt, gelingt es einen Interessenausgleich zwischen der Weltmacht Britisches Empire und der neuen kontinentaleuropäischen Hegemonialmacht herbeizuführen, in dem er Deutschland auf Einschränkungen im Flottenbau verpflichtet und sich mit Großbritannien auf Anerkennung der jeweiligen Einflusssphären verständigt, also auf eine Ausdehnung deutscher Interessen im außereuropäischen Raum verzichtet und dafür de facto als europäische Hegemonialmacht anerkannt wird.

In Nordamerika waren inzwischen Kampfhandlungen zwischen den vom Empire in Kanada stationierten britischen Verbänden und den noch nicht demobilisierten Unionstruppen ausgebrochen. Das Empire hatte handstreichartig das Territorium Oregon überfallen und annektiert und damit den Norden weiter geschwächt.

Ehe die Kampfhandlungen sich jedoch ausbreiten konnten, hatte der britische Premier Gladstone erklärt, die Kriegsziele des Empire seien damit erreicht, und zugleich den UNS eine großzügige Entschädigung für das annektierte Staatsgebiet angeboten.

Damit gingen die kriegerischen Verwicklungen des ereignisreichen Jahrzehnts von 1861 bis 1872 zu Ende, und die Karte der Welt hatte sich verändert. Der Deutsche Bund hatte sich aus einer rein europäischen Großmacht in einen maßgebenden Akteur auf der Weltbühne verwandelt, eine andere Großmacht im Kommen, die USA, hatte zwei Drittel ihres Territoriums verloren und war für die vorhersehbare Zukunft aus dem Kreis der Weltmächte ausgeschieden.

Weltweite Wirtschaftblüte

Die darauf folgenden dreißig Jahre waren ein Zeitalter schier grenzenlosen Wirtschaftswachstums. Auf der Welt herrschte Friede, Telegraf, Eisenbahn und Dampfschifffahrt sorgten für schnelle Verbindungen zwischen den Weltmetropolen und der internationale Handel blühte auf. Dass maßvolle Friedensschlüsse auf zwei Kontinenten Aussicht auf anhaltenden Weltfrieden boten, trug zur allgemeinen Aufbruchsstimmung bei.

Die Großmächte waren alle mit der Konsolidierung ihres Machtbereichs und dem Bestreben beschäftigt, ihrer politischen Bedeutung entsprechende Wirtschaftskraft zu entwickeln oder zu sichern.

Das Britische Empire hatte eine Machtverschiebung auf dem Kontinent hinnehmen müssen, wo der Deutsche Bund jetzt eine unbestrittene Führungsrolle einnahm, und bemühte sich mit Erfolg um gute Beziehungen zu dem im Krimkrieg gedemütigten Zarenreich. Die gemeinsame Erschließung Alaskas, das Kanada 1869 von Russland erworben hatte, bot hier einen ersten konkreten Anlass.

Auf dem amerikanischen Kontinent vertiefte das Empire seine Beziehungen zum Dominion Kanada und nutzte die Schwäche der vom Ausgang des Bürgerkriegs kurzzeitig in eine Art Starre versetzten USA dazu, handstreichartig in den Nachbarstaat Oregon einzufallen und diesen zu annektieren.

Der Deutsche Bund war mit der Neuordnung seiner internen Grenzen, der Reorganisation der deutschen Kleinstaaten und des habsburgischen Vielvölkergemenges beschäftigt, was angesichts der boomenden Wirtschaft keine zu große Mühe bereitete, solange nur den vielen Duodezfürsten ihre prestigereichen Schlösser und Throne erhalten blieben. Die große Erfahrung der Österreich-Ungarischen Verwaltung in der Führung eines mehrsprachigen Völkergemeinschaft leistete hier wertvolle Dienste.

Revolution in der Türkei, Reformen in Russland

1915 kam es zu einer Revolution in Istanbul, in der das seit Jahrzehnten geschwächte osmanische Reich zu zerbrechen drohte, was zu einer Destabilisierung der ganzen Region geführt hätte. Jetzt sollte sich die deutsch-britische Übereinkunft zum ersten Mal bewähren. Ein deutsch-französisch-britisches Expeditionskorps stieß vom britischen Flottenstützpunkt Malta blitzschnell zu den Dardanellen vor, nahm die Festung Gallipoli ein und drohte den Aufständischen mit Blockade. Das Unternehmen lief fast ohne Blutvergießen ab, auf alliierter Seite fielen nur sechs Infanteristen bei der Sprengung einer Brücke, und eine republikanische Regierung unter dem erst 29-jährigen Mustafa Kemal, der später den Beinamen Atatürk erhielt, wurde eingesetzt.

Eine Konferenz in Berlin unter Vorsitz des deutschen Kanzlers von Bethmann-Hohlweg und des britischen Premiers Lloyd George ordnete unter Mitwirkung der beteiligten Provinzen des osmanischen Reiches die Grenzen der Nachfolgestaaten, eine Neuordnung, die sich bis in unsere Tage trotz recht unterschiedlicher Interessen der Teilnehmer und gelegentlicher religiöser Spannungen gehalten hat.

Zu Anfang der zwanziger Jahre des neuen Jahrhunderts kam es zu erneuten Reibungen mit Frankreich, das sich aber dank einer nachhaltig geschickten Bündnispolitik des Deutschen Bundes isoliert sah und vergebens auf Unterstützung seitens des russischen Zarenreiches hoffte. Der Krieg mit Frankreich, meist als Sechstagekrieg bezeichnet, dauerte wie der Name sagt, nur sechs Tage und dokumentierte aufs Neue die Überlegenheit der deutschen Militärmacht.

Der russische Zar hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt und bereits um die Jahrhundertwende mit vorsichtigen Liberalisierungsmaßnahmen begonnen, wobei insbesondere eine Bodenreform die Herrschaft der Großgrundbesitzer über die Landbevölkerung beendete und damit viel zum Abbau der sozialen Spannungen beitrug. Vermutlich unter dem Eindruck der Gräuel der türkischen Revolution und eines kurz darauf ausgebrochenen Aufstands in Sibiriens wuchs am Zarenhof die Erkenntnis, dass eine absolutistische Monarchie  dem Untergang geweiht war, was den Zaren dazu veranlasste, seinem Land eine neue Verfassung zu geben und es in eine konstitutionelle Monarchie nach dem Vorbild des deutschen Bundes umzuwandeln. Im Jahr 1920 konnte die zivilisierte Welt, sieht man von kleineren Scharmützeln und Kämpfen auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent und dem Sechstagekrieg zwischen dem Deutschen Bund und Frankreich ab, der eher den Charakter einer Polizeiaktion hatte und bei dem auf beiden Seiten nicht einmal fünfzig Gefallene zu beklagen waren, auf vierzig Jahre ungebrochenen Friedens zurückblicken. In Nordamerika hatten sich die Union und die Konföderierten Staaten arrangiert und mit Nachdruck den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Städte und Fabrikanlagen betrieben.

Kalifornien erklärt seine Selbständigkeit

1910 trat Kalifornien aus den UNS aus, ein Schritt der im Friedensvertrag zwischen der Union und der Konföderation ausdrücklich jedem einzelnen Bundesstaat auf die Dauer von 50 Jahren zugestanden worden war. Eine Anzahl von Gliedstaaten des ehemaligen Utah Territoriums schlossen sich an und bildeten zusammen das Commonwealth of California (COC). Gleichzeitig formierten sich die Stämme der Ute und Navajo  zu einem eigenen souveränen Staatswesen, dessen Territorium zwischen den drei Nachfolgestaaten der ehemaligen USA eingebettet ist und das sich in Anlehnung an die alte Stammesbezeichnung der Navajo – Diné, das Volk –  als Dinétah bezeichnete. Dieser Indianerstaat ist infolge reicher Uranvorkommen wirtschaftlich weitgehend autark  und übt auf seinem Territorium volle Souveränität aus, ausgenommen die Außenpolitik, in der es vom COC vertreten wird. Bald darauf setzte im Westen des Subkontinents ein Boom ein, der auch den beiden anderen Nachfolgestaaten der USA zugutekam. In der Folgezeit setzen Bemühungen ein, aus den Nachfolgestaaten der USA und Mexiko eine Zollunion nach dem Vorbild der Vorgängerorganisation des Deutschen Bundes zu gründen, was weiter zur Förderung des Wirtschaftsklimas beitrug.

 Beginn des Atomzeitalters und Gründung des Völkerbundes

1910 gelang deutschen Wissenschaftlern eine erste kontrollierte Atomspaltung und nur wenige Jahre später gingen die ersten Heißwassergeneratoren auf Uranbasis ans Netz. 1915 zündete die deutsche Luftwaffe auf einem Süseeatoll im Bismarck-Archipel im Beisein dazu eingeladener Militärs aller maßgebenden Staaten eine Atombombe, um deren verheerendes Vernichtungspotenzial zu demonstrieren, und verpflichtete sich zugleich feierlich, diese Waffe nur im Verteidigungsfall zu nutzen.

Nebenweit Landkarte Internet

Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften durch den internationalen Handel führten schließlich dazu, dass sich maßgebende Staatsmänner in Europa und Amerika, insbesondere der britische Premierminister Winston Churchill und sein deutscher Kollege Walter Rathenau, um eine engere und formalisierte Zusammenarbeit der Staaten bemühten, was schließlich 1922 zur Gründung des Völkerbundes in Genf führte.

Dieser zunächst losen Gruppierung gehörten als Gründungsmitglieder der Deutsche Bund, Frankreich, Italien, das Britische Empire, die drei nordamerikanischen Staaten und als wirtschaftlich stärkste Macht Asiens das Kaiserreich Japan an. Die Gründungsstaaten hatten sich vertraglich verpflichtet, auf den Krieg als Mittel zur Durchsetzung internationaler Streitigkeiten zu verzichten und Kriege jedweder Art zu ächten, also auch aktiv in Streitigkeiten nicht dem Völkerbund angehörender Staaten einzugreifen. Dazu stellten die Mitgliedsstaaten dem Völkerbund militärische Kontingente zur Verfügung, die als stehende Eingreiftruppe von Berufssoldaten in den einzelnen Staaten bereitgehalten wurden. Deutschland übergab dem Völkerbund die Pläne zur Herstellung von Atomwaffen und einen Teil seines Atomwaffenarsenals. Ein Lenkungsausschuss aus den drei Großmächten Deutscher Bund, Vereinigtes Königreich und Frankreich als ständigen Mitgliedern und sechs weiteren, jeweils auf zwei Jahre gewählten Mittelmächten führte die von einem Generalsekretär geleitete Organisation. Sitz der Organisation war Genf, wo sich bald auch eine Anzahl wissenschaftlicher Organisationen ansiedelten, die vom Völkerbund finanziell unterstützt wurden.

Saubere Atomkraft – Beginn des Weltraumzeitalters

Angesichts des wachsenden Energiebedarfs in den Industriestaaten erkannte man bald, dass eine nachhaltige Nutzung der Atomenergie nur im Rahmen der Fusionstechnologie Erfolg versprechend war, was dazu führte, dass Frankreich und Deutschland ein gemeinsames Forschungsprojekt ins Leben riefen, das 1940 erste großtechnisch verwertbare Ergebnisse lieferte. Wenige Jahre später, 1948, startete von der französischen Besitzung Kourou aus die erste Stufenrakete zum Mond, wo der deutsche Wissenschaftler Wernher von Braun die Flagge des Völkerbunds hisste.

Als politisches Ziel hatte sich der Völkerbund die Selbstbestimmung aller Völker und die Abschaffung der Kolonialherrschaft gesetzt, einer Wirtschaftsform, die sich mit wachsendem allgemeinem Wohlstand und zunehmendem Freiheitsbedürfnis der Bevölkerung der Kolonien offenkundig überlebt hatte.

Ende der Kolonialzeit

Der Lenkungsausschuss beschloss daher im Jahre 1944 mit großer Mehrheit der Mitgliedsstaaten, dass im Laufe von zwanzig Jahren sämtlichen Staaten der Erde die uneingeschränkte Selbstbestimmung einzuräumen sei. In den Kolonien sollte durch Volksabstimmung und demokratische Wahlen entschieden werden, ob die Kolonie künftig gleichberechtigte Provinz der bisherigen Kolonialmacht bleiben oder völlige Selbständigkeit erlangen wollte. In letzterem Fall waren die Kolonialmächte verpflichtet, weitere zehn Jahre aktiv am Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur politischer wie wirtschaftlicher Art mitzuwirken.

Abgesehen von einigen meist religiös bedingten Konflikten in Regionen mit stark heterogener Bevölkerung wie Indien oder einigen afrikanischen Staaten vollzog sich die Umstrukturierung einigermaßen friedlich, in Krisenregionen sorgten die Streitkräfte des Völkerbundes dafür, dass sich etwa erforderliche ethnische Trennungen einigermaßen friedlich vollzogen.

Die vielleicht bedeutendste politische Entscheidung war die des russischen Zarenreichs, die östlich des Ural und in der Kaukasusregion gelegenen Provinzen in die Unabhängigkeit zu entlassen, obwohl es sich dabei formal nicht um Kolonien gehandelt hatte, eine Maßnahme, die zu einem erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung in den betroffenen, jetzt von der Moskauer Zentralbürokratie befreiten, neuen autonomen Staaten führte.

Am Ende der Periode, also 1974, zeigte die Landkarte der Welt ein stark verändertes Bild: Neue Grenzen waren entstanden, größere Staatengebilde hatten sich aufgelöst und in kleinere Einheiten zergliedert, andererseits waren Gruppierungen mit gemeinschaftlichen Interessen, einer Zollunion und einheitlicher Währung entstanden.

Weltkarte

Gründung des Völkerbundes – Bildung einer Friedenstruppe

Der Erkenntnis folgend, dass sich nicht alle Konflikte auf dem Verhandlungswege lösen lassen, hatte der Lenkungsausschuss des Völkerbundes schon sehr früh beschlossen, eine kleine schlagkräftige Militäreinheit unter dem Kommando des Generalsekretärs aufzustellen, die auf Mehrheitsbeschluss der Vollversammlung in Krisengebieten mit militärischen Machtmitteln eingreifen, Konfliktparteien trennen, die Bevölkerung schützen und mutmaßliche Kriegsverbrecher in Gewahrsam und einer internationalen Gerichtsbarkeit zuführen durfte. Die »Friedenstruppe« (Peace Legion und Legion de la Paix genannt), die sich zunächst aus den Einheiten der französischen Fremdenlegion rekrutierte, wurde bald durch nationale Kontingente der Mitgliedsstaaten, vorzugsweise der Großmächte ergänzt und mit modernstem Kriegsgerät einschließlich Atomwaffen ausgerüstet. Sie verfügt über weltweit an strategisch wichtigen Punkten kasernierte Garnisonen; bei der Besetzung hoher Kommandostellen wird sorgfältig auf nationale Ausgewogenheit geachtet, um bei erforderlichen Einsätzen gegen Mitgliedstaaten Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Mitgliedschaft von Staaten, gegen die Militäraktionen beschlossen werden, ruht für die Dauer des Konfliktfalles.

Eine erste Bewährungsprobe musste die Friedenstruppe beim Angriff Japans auf die Chinesische Republik im Jahre 1938 bestehen, den sie nicht verhindern konnte – Japan war blitzartig mit modernsten Panzereinheiten mit massiver Unterstützung aus der Luft auf dem chinesischen Festland eingefallen und hatte binnen zwei Wochen beinahe ein Drittel des chinesischen Staatsgebietes einschließlich der rohstoffreichen Mandschurei unter seine Kontrolle gebracht. Bei den Kämpfen fand der chinesische Warlord  Mao Tse Tung den Tod. Die von von Garnisonen der Friedenstruppe des Völkerbundes in Australien und Kanada sowie Sibirien eingesetzten Blauhelmtruppen landeten schließlich an mehreren Stellen im Frontverlauf und brachten den japanischen Vormarsch mit Waffengewalt zum Stillstand und erzwangen einen Waffenstillstand.

Dass es dem Völkerbund nicht gelang, Japan zur Wiederherstellung des Vorkriegszustandes zu bewegen, und China sich schließlich einem Diktatfrieden Tokios unterwerfen und ein Marionettenregime akzeptieren musste, was das Riesenreich praktisch zu einer Kolonie Japans machte, hätte beinahe zum Auseinanderbrechen des Völkerbundes geführt, und es ist nur dem entschlossenen Eingreifen Britannias und der Europäischen Föderation zu verdanken, dass diese im Grunde segensreiche Völkervereinigung damals nicht zerbrach. Um die Jahrtausendwende hatte sich die Lage in den von Japan teils annektierten, teils de facto zu Protektoraten gemachten Staaten so weit beruhigt, dass der Völkerbund einem Wiederaufnahmeantrag Japans stattgab.

Das Gleichgewicht der Mächte im asiatischen Großraum konnte dadurch erhalten werden, dass Hindustan, hervorgegangen aus Britisch-Indien, dank des segensreichen Wirkens kluger britischer Vizekönige während der zwanzig Jahre dauernden Entkolonialisierung zu einem geregelten Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften gekommen war und die von Großbritannien eingeführten demokratischen Regierungsprinzipien den Bedürfnissen des Vielvölkerstaates angepasst hatte. Vom Völkerbund, insbesondere der ehemaligen Kolonialmacht, tatkräftig unterstützt, konnte Hindustan eine auf dem Weltmarkt konkurrenzfähige Industrie und eine schlagkräftige Militärmacht aufbauen und sich damit wirtschaftlich wie politisch zur De-facto-Hegemonialmacht unter den rohstoffreichen, aber wirtschaftlich und politisch weniger hoch entwickelten Staaten südlich Sibiriens entwickeln.

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